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Luigi Lurati###Napoleon, 1965 / Schwon, 1965

Luigi Lurati ist ein alter Bekannter im Aargauer Kunsthaus. 1988 widmete Beat
Wismer ihm eine Einzelausstellung, die den Beginn der Rezeptionsgeschichte seines Werkes markiert. Voraussetzung war, dass die Arbeiten von Luigi Lurati überhaupt wieder zum Vorschein kamen. Nach seinem Tod 1967 waren diese in fast vollständige Vergessenheit geraten, obwohl er noch eine Beteili­gung an der Ausstellung Formen der Farbe in der Kunsthalle Bern bei Harald Szeemann
hatte. Drei Studenten, unter ihnen auch der spätere Lurati Sammler und Förderer Peter Suter, entdeckten das Werk wieder und leisteten jene Vorarbeit, die es erlaubte, Luigi Luratis Arbeiten ins richtige Licht zu rücken.

Luigi Luratis biographische Eckdaten bieten den Stoff, aus dem Legenden sind. Also Sohn italienischer Einwanderer 1937 geboren, bricht er eine Lehre als Laborant ab und besucht ein paar Abendkurse an der Kunstgewerbeschule in Basel. Er führt dank Gelegenheitsarbeiten ein Leben von der Hand in den Mund, zieht von Basel nach Zürich und macht sich einen Namen als Strassendandy. Er verkehrt in Kreisen, die sich für die neuen künstlerischen Tendenzen der amerikanischen Kunst interessieren. Zentral war zweifelsohne die Ausstellung Signale von Arnold Rüdlinger, an der die so genannte Post Painterly Abstraction in der Schweiz ihren ersten grossen Auftritt hatte. Harte und kräftige Farbkontraste und genau abgesetzte Umrisskanten der Formen hatte Luigi Lurati dort vielleicht gesehen. Seine Karriere als Künstler beginnt unvermittelt, er ist autodidakt, malt neben dem Broterwerb meist nachts und ist kompromisslos in Vorgehen und Ausführung. Genau so abrupt endet sein Leben. Er verunfallt auf dem Weg von Paris nach Bern in seinem offenen Sportwagen. Die beiden Bilder von Luigi Lurati, die das Aargauer Kunsthaus im letzten Jahr gekauft hat, ergänzen sich und den in der Sammlung bereits vorhandenen Bestand von vier Arbeiten bestens. Sie wurden – übereinander gehängt – im Frühjahr 2012 in der Kunsthalle Bern gezeigt im Rahmen der Ausstellung The Old, the New, the Different und gehören zu jenem Typ von Werken, in denen der Künstler sich mit der geschwungenen und der gebogene Form auseinandersetzte. Die Werke sind symmetrisch aufgebaut, die untere und obere Bild hälfte könnten nahtlos aufeinander geklappt werden. Die scharfe Grenze der Konturen und die bestechende Farbwahl sind so offensiv, dass ein Hin- und Hineinschauen zwanghaft gefordert wird. Eine fast süsse, aber kräftige Farbgebung geht einher mit diesen runden Grundkonstellationen. Sie schafft einen Ausdruck, der in den Raum hinaus reicht und die Wahrnehmung oszillieren lässt zwischen einer poppigen und geometrischen Haltung. Gerade an diesen beiden Arbeiten ist ersichtlich, wie sich Luigi Luratis Werke einer vorschnellen Einordnung in künstlerische und kunsthistorische Kategorien seiner Zeit entziehen. Peter Suter beschrieb die Kraft dieser Werke mit dem Begriff des «erzwungenen Bildes», dem im Falle Luigi Luratis eben keine symbolische Wirkung eigen ist. Jedes Bild habe seine eigene Gesetzmässigkeit, die mit formaler und künstlerischer Gewalt erzwungen werde. Luigi Lurati suchte die grosse Geste im Sinne einer plakativen und durchdringenden Gestaltung der Bildoberfläche, die uns heute noch unverzüglich in ihren Bann zieht, jung und kräftig erscheint und schliesslich kunsthistorische Einordnungen als zweitrangig erscheinen lässt.