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Bruno Jakob###Breath, 2011

Selten bei Werken der Bildenden Kunst stellt sich die Frage, was wir sehen, mit einer Brisanz wie bei Bruno Jakob (*1954). Denn vordergründig sehen wir auf seinen Bildern nichts; seine Gemälde, die er Invisible Paintings nennt, entstehen mit Malmitteln wie Wasser, Energie, Licht, Luft oder Gedanken. Sie scheinen «leer» – weisse Flächen, die Spuren von Eingriffen aufweisen können, aber nicht müssen. Sich von diesem Wenig bis Nichts nicht beirren zu lassen, ist die Herausforderung, die sich angesichts dieser Werke stellt und worauf Bruno Jakob bewusst abzielt. Es geht ihm darum, den Menschen die Augen für die Welt zu öffnen. Für Bruno Jakob müssen Bilder nicht sichtbar sein, um existieren zu können. Ausgehend von dieser Prämisse hat der in New York lebende Künstler über die letzten vier Jahrzehnte hinweg ein OEuvre entwickelt, das unser Vertrauen in die visuelle Evidenz radikal hinterfragt.

Bereits 1991 – damals noch wenig bekannt – stellte Bruno Jakob im Aargauer Kunsthaus aus. Sechs Jahre später gelangten acht Gemälde aus der Serie BRAIN: AMERICA: Race to the image / Invisible Paintings (1996) in die Sammlung. Mit dem jüngsten Ankauf der vierteiligen Werkgruppe Breath (2011) konnte der Bestand durch eine aktuelle und im Schaffen Bruno Jakobs wegweisende Gemäldeserie ausgebaut werden. Die Arbeiten entstanden 2011 für die von Bice Curiger kuratierte 54. Biennale in Venedig, wo sie als Teil der Ausstellung Illuminations im Arsenale gezeigt wurden. Die Gemälde waren dort im Hof auf in Gras befestigten Spanholzwänden installiert oder schwebten, von den Hafenarkaden hängend, über dem venezianischen Wasser. Zuvor, in seinen Ateliers in New York und Aarburg, aber auch während der Installation im Arsenale hatte Jakob die Leinwände bemalt – mit den für ihn typischen, unsichtbaren Ingredienzien wie Wasser, Licht, Berührung, Luft und Gehirnwellen. Damit war der malerische Gestaltungsprozess aber noch nicht abgeschlossen: Über die Dauer der Ausstellung, Wind und Wetter Venedigs ausgesetzt, lagerten sich weitere Spuren auf den Leinwänden ab. Sie bezeugen, für einmal durchwegs sichtbar, die offene, zukunftsorientierte Struktur von Bruno Jakobs Malereien. John Cage hatte Anfang der 1950er-Jahre mit seiner Komposition 4’33’ «die Stille» in die Musik eingeführt. Die vier Minuten und 33 Sekunden, in denen der Pianist – so hatte es Cage vorgesehen – untätig hinter dem Klavier sitzt, öffnen einen akustischen Wahrnehmungsraum für Alltags- und Umgebungsgeräusche, die für gewöhnlich untergehen. Folgt man Roman Kurzmeyers Argumentation, so überträgt Bruno Jakob John Cages sowohl für die Konzeptkunst als auch für die Neue Musik bedeutendes Prinzip der Leere in den Bereich des Visuellen und konkret auf das Medium der Malerei. Seine Bilder sind Projektionsflächen des Unsichtbaren, Verborgenen, Unbemerkten und Nichtdarstellbaren.