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Provenienzforschung

Das vom Bundesamt für Kultur (BAK) geförderte einjährige Provenienzforschungsprojekt hat insgesamt 54 Werke des Aargauischen Kunstvereins intensiv untersucht.

Registrarin nimmt ein BIld aus dem Sammlungsdepot i
Foto: ullmann.photography

Die Sammlung Häuptli eignete sich aus zweierlei Gründen besonders gut für eine vertiefte Recherche: einmal aufgrund ihrer künstlerischen Bedeutung für das Kunsthaus, zum anderen aufgrund bereits vorliegender Provenienzhinweise. Aus der Sammlung wurden 50 Werke ausgewählt, deren Provenienz intensiv untersucht werden sollte. Das Aarauer Ehepaar Valerie und Dr. Othmar Häuptli sammelte für gute zwei Jahrzehnte – zwischen ungefähr 1930 und 1950 – moderne Kunst. Sie folgten dabei keinem strengen Sammlungsprofil, sondern kauften, was ihnen gefiel.

So entstand eine Kollektion von 105 Werken, vor allem Gemälde, die mit Schenkungsvertrag 1970 vom Ehepaar an den Aargauischen Kunstverein übereignet wurden. Othmar Häuptli starb 1983, und die Sammlung kam gemäss seines Testaments ins Aargauer Kunsthaus.

Zur Geschichte der Sammlung gibt es leider wenig konkrete Hinweise, denn Häuptlis sammelten nicht nur ausschliesslich ihrem Geschmack folgend, sondern sie blieben als Käufer auch zurückhaltend und traten öffentlich nicht häufig in Erscheinung. Sie kauften im nationalen wie internationalen Kunsthandel – vor allem in (Süd-)Deutschland. Die meisten Werke erwarb das Ehepaar bei den Galerien Aktuaryus (Zürich), Fischer (Luzern), Griebert (München/Konstanz), Ketterer (Stuttgart), Rosengart (Luzern) sowie vermutlich Nierendorf (New York).  Roman Norbert Ketterer und Häuptli waren persönlich miteinander bekannt. Ketterer hatte das Ehepaar offenbar in Aarau besucht. Othmar Häuptli erwarb darüber hinaus mehrere Kunstwerke vom Glarner Sammler und Arztkollegen Othmar Huber, beispielsweise als dieser Anfang der 1950er Jahre die Aussteuer seiner Tochter finanzierte. Die beiden Sammler standen in einer freundschaftlichen Konkurrenz.

Auch mit einigen Künstlern waren Valerie und Othmar Häuptli persönlich bekannt:  Erich Heckel und seine Frau Siddi beispielsweise besuchten das Ehepaar Häuptli im Frühjahr 1965 in Aarau und standen in freundlicher Korrespondenz miteinander.

Registrarin untersucht die Rückseite eines Bildes i
Foto: ullmann.photography

Untersuchte Werke

Im Fokus des Provenienzforschungsprojektes standen mehrere Werkkategorien: Einmal wurden Werke derjenigen Künstler genauer betrachtet, die während des Nationalsozialismus als ‚entartet‘ galten. In der Sammlung Häuptli sind die folgenden Künstler vertreten: Ernst Barlach, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Wilhelm Lehmbruck, August Macke, Otto Mueller, Emil Nolde, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff. Diese Werke bilden tatsächlich das Herzstück der Sammlung.

Daneben wurden diejenigen Werke näher betrachtet, die von französischen Künstlern stammen, Werke von Paul Cézanne, Camille Corot, Edgar Degas, Paul Gauguin, Auguste Rodin oder Georges Rouault. Bei ihnen kam es vor allem darauf an zu untersuchen, ob es sich um beschlagnahmte Objekte aus dem besetzten Frankreich (1940-1944) handelt.

Darüber hinaus wurden auch zu Werken Ferdinand Hodlers und Cuno Amiets genauer recherchiert, weil sie während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im internationalen (deutschen) Kunsthandel gut vertreten waren.

Als Ergänzung zur Sammlung Häuptli wurden drei Aquarelle von Paul Klee sowie ein Gemälde Ferdinand Hodlers aus einer anderen Schenkung an den Aargauischen Kunstverein in das Projekt miteinbezogen, weil es zu diesen Werken bereits einige Hinweise gab und ihre Provenienzketten fast geschlossen waren.

Das einjährige Provenienzforschungsprojekt hat demnach insgesamt 54 Werke des Aargauischen Kunstvereins intensiv untersucht.

(Text von Caroline Lange)

Erich Heckel, Männerbildnis, 1919

Der Holzschnitt war ein Geschenk des Künstlers an Othmar und Valerie Häuptli, das er bei einem Besuch in Aarau im Frühjahr 1965 persönlich überreichte.

Am 15. Januar 1965 schrieb Valerie Häuptli an den «verehrte[n] Meister Herr Heckel» und berichtete ihm über ein Aquarell-Porträt, das seit Jahren im Sprechzimmer ihres Mannes in der chirurgischen Klinik in Aarau gehangen hatte. Häuptlis hatten auf Wunsch Siddi Heckels, seiner Ehefrau, einen Abzug anfertigen und schicken lassen, damit er für den entstehenden Werkkatalog verwendet werden konnte: «Wir dachten, Sie müßten sich gewiß freuen, es wieder als Photographie zu besitzen.» Am Schluss ihres Briefes lädt Valerie Häuptli das Ehepaar Heckel – falls «Ihre Gesundheit es Ihnen erlaubt» – nach Aarau ein. Sie würden sich freuen, «wenn Sie uns und unserer kleinen Sammlung einen Besuch machten.» [1]

Siddi Heckel scheint umgehend auf diesen Brief geantwortet und einem Besuch zugestimmt zu haben – ein undatierter Entwurf dieses Briefes hat sich erhalten [2]  – und nur eine Woche später, am 22. Januar 1965, schreibt Valerie Häuptli: «Ihren freundlichen Brief herzlich verdankend, möchten wir Ihnen unsere Freude ausdrücken, daß wir Sie bei uns begrüßen dürfen. Wir reservieren den Samstag 13. Febr[uar1965] Nachmittag für Ihren Besuch.» Man werde die beiden um «13.21 auf Perron 2 empfangen, um dann noch gemütlich bei einer Tasse Kaffee zu sitzen bevor wir die „Brücke“bilder ansehen.» [3]

Der Besuch fand offensichtlich wie geplant statt, und am 2. März 1965 schrieb Othmar Häuptli an Heckels, um sich für zwei Gastgeschenke zu bedanken, die sie ihm und seiner Frau mitgebracht hatten. Eines der Geschenke war eine Ausgabe von Oscar Wildes 1898 erschienener «Ballade vom Zuchthaus zu Reading» – das letzte zu Wildes Lebzeiten veröffentlichte Werk. Das zweite Geschenk waren Holzschnitte, von denen sich einer heute in der Sammlung Othmar und Valerie Häuptli im Aargauer Kunsthaus befindet. Ob es zwei oder möglicherweise noch mehr Holzschnitte waren, lässt sich aus der Korrespondenz nicht eruieren. «Wir freuen uns sehr an dem kostbaren Geschenk, und danken Ihnen herzlich dafür.» Die Oscar Wilde-Ballade scheint in ihrer englischen Fassung geschenkt worden zu sein, aber Othmar Häuptli war zuversichtlich, dass er dem Text «schon noch näher kommen werde». [4] Über den Holzschnitt (1919, 61,3 x 44cm), der heute in der Sammlung die Signatur G3022 und den Titel Männerbildnis trägt, hat er mehr zu sagen: «Ihre Holzschnitte fesseln uns durch ihre abstrakte Gestaltung und ihre starke Aussage. Diese Holzschnitte zeigen uns wieder dass die abstrakte Kunst eine Beziehung zum Figürlichen haben muss. […] Wenn der Beschauer eine Beziehung zum Meisterwerk bekommen soll, so muss ihm das Werk einen Gedanken vermitteln […]. Damit beginnt es für ihn zu leben. […] Und ihre Holzschnitte reden in lebhafter Sprache.» Diese Korrespondenz zwischen Häuptlis und Erich Heckel konnte nicht nur die Provenienz des Holzschnittes klären, sondern sie vermittelt uns auch einen interessanten Einblick in die Beziehung und Interaktion zwischen Sammler und Künstler und in die private Rezeption von Kunst.

(Text von Caroline Lange)

Fussnoten

[1] Valerie Häuptli an Erich Heckel am 15. Januar 1965, Nachlass Erich Heckel / Erich Heckel Stiftung.

[2] Antwortentwurf von Siddi Heckel an Othmar und Valerie Häuptli, nach 15. Januar 1965, Nachlass Erich Heckel / Erich Heckel Stiftung.

[3] Valerie Häuptli an Erich Heckel am 22. Januar 1965, Nachlass Erich Heckel / Erich Heckel Stiftung.

[4] Othmar Häuptli an Erich Heckel am 2. März 1965, Nachlass Erich Heckel / Erich Heckel Stiftung.

Ernst Ludwig Kirchner, Der Wanderer, 1922

Das Bild Der Wanderer von Ernst Ludwig Kirchner entstand 1922, als der Künstler sich infolge seiner Krankheit in Davos aufhielt. Bereits im gleichen Jahr wurde das Gemälde von Heinrich Staub (1866–1962) gekauft. Kirchner hatte offenbar nicht erwartet, dass sich überhaupt jemand für das Sujet interessieren und er das Gemälde in so kurzer Zeit verkaufen würde. Am 22. Dezember 1922 schrieb er der Künstlerin Nele van de Velde: «Ich male jetzt fast nur so, kaum mehr von der Natur. So habe ich den Wanderer gemalt, weite Berglandschaft, gerade Strasse zwischen Ödland. Darauf der Mann gebeugt gehend. Das Bild gehört dem Dr. S. auf Clavadel. Ich staunte sehr, dass so etwas gekauft wurde. Ich kämpfe um grosse ruhige Flächen und tiefe volle Farben. Ich will mehr geben als nur Seherlebnisse.» [1]

Aus einem anderen Brief Kirchners an seinen Freund und Mäzen in Frankfurt a.M. Carl Hagemann erfahren wir mehr über die Rezeption des Bildes: «Der Mann, der mein Bild Wanderer kaufte, tat das, weil ihm der seelische Gehalt des Bildes so sehr einging.» [2]

Kirchner lernte Heinrich Staub und seine Frau Julia Staub-Oetiker – «ganz reizende Leute, für Kunst interessiert» [3] – im Jahr 1921 in Davos kennen. Die beiden Ärzte arbeiteten zu diesem Zeitpunkt in der Klinik in Davos-Clavadel, wo sie auch kulturelle Veranstaltungen förderten.

Der Wanderer gelangte später in die Sammlung eines anderen Arztes, Othmar Häuptli, der das Bild nachweislich von Heinrich Staub erwarb und wie sein Arztkollege grosse Begeisterung für die Kunst des Expressionismus zeigte.

(Text von Nora Togni)

Fussnoten

[1] Brief von Ernst Ludwig Kirchner an Nele van de Velde vom 22. Dezember 1922, in: Ernst Ludwig Kirchner, Briefe an Nele und Henry van de Velde, München: R. Piper & Co. Verlag, 1961, S. 47.

[2] Brief von Ernst Ludwig Kirchner an Carl Hagemann vom 19.11.1935, in: Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay… Briefe an den Sammler und Mäzen Carl Hagemann 1906-1940, hrsg. und kommentiert von Hans Delfs u.a., Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag, 2004, S. 502.

[3] Brief von Ernst Ludwig Kirchner an Nele van de Velde vom 7.10.1921, in: Ernst Ludwig Kirchner, Briefe an Nele und Henry van de Velde, München: R. Piper & Co. Verlag, 1961, S. 44; s. auch:
Ernst Ludwig Kirchner, Der gesamte Briefwechsel, Band I, Briefe von 1901-1923, hrsg. und kommentiert von Hans Delfs, Zürich: Scheidegger & Spiess, 2010, S. 507-508.

Registrarin nimmt ein BIld aus dem Sammlungsdepot i
Foto: ullmann.photography

Das Aargauer Kunsthaus dankt der finanziellen Unterstützung des Bundesamt für Kultur und Swisslos Kanton Aargau.

Das Aargauer Kunsthaus arbeitet im Projekt Provenienzforschung mit Lange & Schmutz Provenienzrecherchen GmbH zusammen.

Sollten Sie Fragen oder Hinweise über die Forschungsergebnisse haben, wenden Sie sich bitte an uns.
Aargauer Kunsthaus
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