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Christian Rothacher###Ohne Titel, 1972-1973

Die Fäden zwischen dem Aarauer Künstler Christian Rothacher (1944 – 2007) und dem Aargauer Kunsthaus sind eng gesponnen. Rothacher war Initiator und Mitbegründer der Ateliergemeinschaft am Ziegelrain. Zusammen mit Heiner Kielholz (*1942), Max Matter (*1941), Markus Müller (*1943) und Hugo Suter (1943 – 2013) – für Geschichte und Sammlung des Kunsthauses wichtige Positionen – gehörte er zu jenen jungen Künstlern, die sich 1967 in den ausgedienten Fabrikräumen am Ziegelrain in Aarau niederliessen und mit ihrer für die neuesten Kunstströmungen offenen Haltung für Furore weit über die Stadt hinaus sorgten. 2006 liess das Aargauer Kunsthaus mit der Ausstellung Ziegelrain ’67–’75 das Schaffen und die Atmosphäre jener von Aufbruch geprägten Jahre im Ziegelrain aufleben. 2011 folgte im Kunsthaus vier Jahre nach Rothachers Tod die erste grosse Retrospektive. Sie setzte mit den um 1970 entstandenen Arbeiten ein, dank derer Rothacher zu einem wichtigen Protagonisten der jungen Schweizer Avantgarde avanciert war, beleuchtete aber auch das spätere OEuvre, das der Künstler im stillen, selbst gewählten Rückzug schuf. Überdies be¢ndet sich in der Sammlung des Kunsthauses ein repräsentatives Konvolut an Objekten und Zeichnungen von Rothacher. Diese Werkgruppe erhielt mit der jüngsten Schenkung Ohne Titel (1972 – 1973) aus Aarauer Privatbesitz eine interessante Bereicherung. Nicht nur war die Arbeit bereits in der Ziegelrain-Ausstellung 2006 vertreten, sie erlaubt auch Rückschlüsse auf jene Umorientierung in Rothachers Schaffen, die Anfang der 1970er-Jahre vonstattenging und ein Abwenden von den durch Pop-Art und Arte Povera beeinflussten frühen Arbeiten bedeutete. An ihrer Stelle gewann der individuelle Ausdruck an Gewicht, und Rothacher begann sich persönlichere Themenkreise und damit eine eigene Bildwelt zu erschliessen. Als «subjektive Bedeutungsobjekte» bezeichnete Theo Kneubühler, ein Kenner der damaligen Szene, die Werke seines Zeitgenossen. Häu¢g ging Rothacher von bestehenden alltäglichen Dingen aus, für die er – durchaus in der Tradition der avantgardistischen Objektkunst – neue Lesarten und Deutungen suchte. Resultat waren imaginierte Objekte aus unbedeutenden Gegenständen, die er in geistreichen Metamorphosen ins Surreale kippte.

Beim vorliegenden Objekt haben wir es mit einem See aus Messing zu tun, der in einen auf einer Holzunterlage platzierten Suppenteller eingelassen ist. Aus der Seenlandschaft erhebt sich eine reliefartige Insel; die Holzunterlage wiederum erinnert an eine Dünenlandschaft. Im Zusammenspiel der einzelnen Elemente steht das Werk für eine Verbindung von Natur und Kultur, wie sie bei Rothacher ein wiederkehrendes Thema ist. Vor diesem Hintergrund liesse sich die zeichenhafte Bildfindung als ein Kommentar darauf lesen, wie der Mensch die Natur zu beherrschen sucht – sie quasi im Suppenteller domestiziert. Eine endgültige Auflösung stellt sich aber, wie so oft bei Rothacher, nicht ein. Es spricht daraus eine Verweigerung der Realität, aber auch eine leise Melancholie angesichts der Ungeheuerlichkeiten des Lebens.