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Raphael Hefti###Ohne Titel (aus der Serie Lycopodium), 2012

Wie ein Leitmotiv ziehen sich Industrieprozesse durch das Werk von Raphael Hefti (*1978). Der in Biel geborene Künstler hat in jungen Jahren den Niedergang des einst prosperierenden Produktionsstandorts erlebt. Trotzdem macht er dort zunächst eine Lehre als Elektrotechniker, bevor er in London Industriedesign und Fotografie studiert. So erstaunt nicht, dass sein künstlerischer Ansatz materialbasierte und visuelle Recherche vereint. Tradierte Verfahren und Werkstoffe werden auf ihre archaische Kraft, Hightech-Produkte auf ihre verborgenen Materialeigenschaften untersucht und wider ihre intendierte Verwendung in ästhetische Wahrnehmung umgelenkt.

Für die Lycopodium-Serie hat Hefti die leicht entflammbaren, schon im Mittelalter für pyrotechnische Effekte genutzten Sporen der Moosart Lycopodium clavatum in abgedunkelter Umgebung auf unbelichtetes Fotopapier zerstäubt und direkt auf dem Bildträger verpuffen lassen. Im leeren Untergeschoss seines Zürcher Ateliergebäudes hat er dafür ideale Bedingungen vorgefunden und dank der grosszügigen Raumverhältnisse selbst ganze Papierrollen am Stück verarbeiten können, was eindrucksvolle Formate von bis zu sieben Metern Länge ergeben hat. Vom Wesen her Fotogramme, also in künstlerischer Absicht experimentell erzeugte Unikate, betören die Aufnahmen durch ihr schillerndes Farbspektakel, spielen aber zugleich mit der Bildsprache einer für Laien ästhetisierend aufbereiteten wissenschaftlichen Fotografie. Doppeldeutig ist auch, ob Makro- oder Mikrokosmos, ferne Galaxie oder Feinstruktur einer rätselhaften Substanz zu sehen ist. Dies führt zum Kern von Heftis Unterfangen, da die Prints nicht nur Selbstabbildungen der Sporen sind, sondern überdies das fotografische Trägermaterial – Fujicolor Crystal Archive – in seinem Farbaufbau und seiner industriellen Konfektionierung sichtbar machen. Dabei umgehen sie die abbildende Funktion der Fotografie und stützen sich allein auf das Licht, das als gemeinsames konstitutives Element im einen Fall abgestrahlt, im anderen absorbiert wird. Raffiniert ist die Kombination, weil sie es Hefti einerseits erlaubt, mit den teils zerklüfteten, teils verästelten Strukturen ein mitunter trotz allem auf Ähnlichkeit beruhendes Bild der Sporen zu erzeugen, während der Zufall ihm womöglich beim nächsten Versuch ein Ergebnis zuspielt, das die Eigenschaften des Papiers oder weitere fotospezifische Phänomene wie den ungewollten Lichteinfall auf Analogfilm evoziert. Andererseits hat die Serie etwas Magisches, das zunächst einmal darin zum Ausdruck kommt, dass Lycopodium seiner Heilwirkung wegen im Volksmund auch als Hexen- oder Druidenmehl bekannt ist, während Gaukler es gern als Blitzpulver verwenden. Das profan Erklärbare potenziert sich aber noch in jenem unfassbaren Zauber, der trotz allem Wissen um Technik und Chemie gerade der analogen Bildwerdung eigen ist und der hier umso unmittelbarer und erhabener erlebt werden kann, als die Bilderzeugung kameralos und im Grossformat erfolgt.